Stellungnahme

Gemeinsame Stellungnahme ( März 2002 )des

-     Jagdgebrauchshundverbandes (JGHV) e.V.

-     Landesjagdverbandes (LJV) NRW e.V.

-     Landestierschutzverbandes (LTV) NRW e.V.

-     Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.V.

zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD

Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen ( Landeshundegesetz –LHundG NRW )  - Drucksache 13 / 2387

 

1. Einleitung

Die o. g. Verbände sind überein gekommen, neben ihren jeweiligen eigenen ausführlichen Stel­lungnahmen zum o. g. Gesetzentwurf, nachfolgende gemeinsame Stellungnahme abzugeben. Dies geschieht in der Absicht, kynologischen Sachverstand konstruktiv in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Anzustreben ist ein harmonisches Miteinander von Hundehaltern und Nichthundehaltern, wobei alle notwendigen und effektiven Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung im Vordergrund stehen. Dies schließt auch den Schutz der Tiere im Einklang mit den hierzu erlassenen gesetzlichen Regelwerken ein.  


         2.Einbindung der Fachverbände in das Gesetzgebungsverfahren

Von allen Parteien des Landtages Nordrhein-Westfalen wurde in Zusammenhang mit der massi­ven Kritik an der LHV NRW immer wieder betont oder zumindest eingeräumt, dass die Fachverbände bei der übereilten Inkraftsetzung der LHV NRW nicht eingebunden wurden mit der Folge, dass diese fachlich und sachlich angreifbar ist.

Wir appellieren daher an alle Parteien im Landtag, die Stellungnahmen der Fachverbände ernst zu nehmen und die vorgetragenen Verbesserungsvorschläge aufzugreifen.  


3. Harmonisierung der Länderverordnungen und Entschärfung sowie Vereinfachung der LHV NRW?  

Der nun vorgelegte Gesetzentwurf wird jedoch nicht dem verkündeten Anspruch gerecht, eine Harmonisierung der Verordnungen der einzelnen Bundesländer herbeizuführen und eine Ent­schärfung sowie Vereinfachung der Landeshundeverordnung NRW (LHV NRW) vorzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall.

So wird der Sonderweg des Landes Nordrhein-Westfalen mit der 40/20er Regelung im Gesetz­entwurf fortgesetzt und weiter verschärft. Der Irrweg der LHV NRW, hunderttausende von unbescholtenen und unauffälligen Hundehaltern mit überzogenen Restriktionen und Anforderungen zu belasten, wird hier fortgesetzt.

Die Umsetzung des Gesetzes wird einen enormen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, der wertvolle personelle Ressourcen der kommunalen Verwaltung binden wird, die dann bei der tatsächlichen Gefahrabwehr fehlen werden. In jeder Stadt und in jeder Gemeinde wären eine Unzahl von Akten anzulegen und fortzuschreiben, ohne damit die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen. Das schon vorhandene Verwaltungschaos wird nicht abgeschafft sondern vergrößert. Statt Massen von Hundehaltern „teuer“ und aufwendig zu verwalten, sollte man die begrenzten Kapazitäten und Ressourcen in den Behörden besser dafür einsetzen, gegen die wenigen verantwortungslosen Hundehalter zeitnah und nachhaltiger als bisher vorzugehen. Die Restriktionen für hunderttausende von Hundehaltern schaffen eine trügerische „Scheinsicherheit“; ein effektiver Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden ist damit nicht herzustellen, wie im Folgenden noch dargestellt wird.  


         4. Einheitliche Regelungen für alle Hunde  

Wir begrüßen grundsätzlich den Ansatz, einheitliche Regelungen für alle Hunde - unabhängig von Rassenzugehörigkeit und Größe/Gewicht – zu schaffen.

Die im Ansatz richtige Generalklausel in §2 Abs. 1 fördert in Verbindung mit § 20 Abs. 1 (Ord­nungswidrigkeit – Geldbuße bis 100.000 +) ein Reizklima, da aufgrund des Interpretationsspiel­raumes Hundehalter permanent Gefahr laufen, Opfer von Denunziationen oder Ähnlichem zu werden mit völlig überzogenen Konsequenzen (Geldbuße bis 100.000 ). Vernünftige Abstufungen, die die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen wahren, werden vermisst.

Gleiches gilt für Anleinpflicht für alle Hunde an bestimmten Orten (§2 Abs.2). Wir halten es für richtig, dass alle Hunde an bestimmten, belebten Orten anzuleinen sind, um Gefahren und Belä­stigungen zu vermeiden. Es muss aber sichergestellt werden, dass Bereiche in ausreichender Zahl und Größe von der Anleinpflicht ausgenommen werden, um eine artgerechte Haltung und Sozialisierung von Hunden auch künftig zu gewährleisten.

Es ist aber völlig inakzeptabel und überzogen, Verstöße gegen die Anleinpflicht als Ord­nungs­widrigkeit mit Geldbußen mit bis zu 100.000 + belegen zu können. Denn damit ist auch die Ver­hältnismäßigkeit zu anderen Bußgeld-Tatbeständen nicht mehr gewahrt.  


5. Rasseliste 1

Wir lehnen es grundsätzlich ab, alle Vertreter bestimmter Rassen als „gefährlich“ einzustu­fen. Die Gefährlichkeit eines Hundes ist ein individuelles Merkmal eines Hundes (Siehe hierzu auch die wissenschaftlichen Gutachten im Buch „Kampfhunde“? Gefährliche Hunde“).

Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass bestimmte Rassen a priori gefährlich sind – auch alle Statistiken zu Hundezwischenfällen geben diesbezüglich keinerlei verwertbaren Aufschluss.


6. Gefährliche Hunde im Einzelfall

In § 3 Abs.3 werden die Voraussetzungen aufgeführt, nach denen Hunde im Einzelfall – unab­hängig von ihrer Rassezugehörigkeit – aufgrund bestimmter Vorfälle als gefährlich eingestuft werden sollen.

Dieser Ansatz, die Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall unabhängig von Rassezugehörig­keit, aufgrund bestimmter Vorfälle als gefährlich einzustufen, wird ausdrücklich befürwortet und sollte im Zentrum des Gesetzes stehen. Auflagen und Kontrollen für solche Hunde sind im Sinne einer Gefahrenabwehr sinnvoll und effektiv.

Solche Auflagen wirken – auch wenn häufig abgestritten – präventiv. Eine Analyse der schweren Zwischenfälle mit Hunden zeigt eindeutig, dass einem schweren Zwischenfall fast immer Auffälligkeiten von Hundehalter und/oder Hund vorausgeht. Das wirksamste Instrument zur Vermeidung schwerer Zwischenfälle mit Hunden ist und bleibt eine konsequente Umsetzung und Kontrolle von Auflagen für auffällig gewordene Hundehalter bzw. Hunde.  


7. Rasseliste 2

Eine derartige Rasseliste wird von unseren Verbänden generell abgelehnt (siehe auch Ausfüh­rungen unter Punkt 5!). Es bleibt kritisch zu hinterfragen, aufgrund welcher Erkenntnisse be­stimmte Rassen der in der LHV NRW aufgeführten Rassen herausgenommen werden und andere Rassen nicht? Selbst wenn man den Ansatz der Rasselisten nicht grundsätzlich in Frage stellen würde, muss es doch Kriterien und nachvollziehbare Erkenntnisse geben, die in jedem Einzelfall die Entscheidung über eine Aufnahme in die Rasseliste oder eine Nichtaufnahme begründen. Es ist gleichermaßen bezeichnend und inakzeptabel, dass hierzu noch keine entsprechenden wissen­schaftlichen Gutachten und aussagekräftigen Statistiken vorgelegt wurden.  


8. 40/20er Regelung

Wir lehnen eine Sonderregelung für die so genannten großen Hunde ab.

Soweit von einer Entschärfung im Vergleich zur LHV NRW gesprochen wird, ist dies unzutref­fend. Das Gegenteil ist richtig.

Eine deutliche Verschärfung enthält die Bestimmung zur Anleinpflicht. Bisher besteht die An­leinpflicht nach § 3 Abs.4 LHV NRW nur „innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, auf öffentlichen Straßen und Plätzen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln“.

In der Verwaltungsvorschrift hierzu heißt es ausdrücklich, dass „außerhalb der in Zusammen­hang bebauten Ortsteile, nach Verkehrsauffassung im Außenbereich, die Anleinpflicht nach § 3 Abs.4 nicht besteht“.

Diese Einschränkung enthält der Gesetzesentwurf nicht mehr. Hier heißt es unter § 11 Abs.6 vielmehr ausdrücklich, dass sogenannte große Hunde außerhalb eines befriedeten Besitztums, auf öffentli­chen Straßen, Wegen und Plätzen angeleint zu führen sind. Damit gilt die Anleinpflicht für der­artige Hunde nunmehr uneingeschränkt auch im Außenbereich.

Diese Vorschrift ist tierschutzrelevant und im Hinblick auf die Gefahrenabwehr kontraproduktiv.

Wenn die so genannten großen Hunde grundsätzlich auch in Außenbereichen anzuleinen sind, wird man den Vorgaben des Tierschutzgesetzes, eine artgerechte Haltung mit ausreichend Be­wegungsmöglichkeiten des Hundes sicherzustellen, nicht gerecht. Es muss Bereiche geben, wo Hunde ohne Leine sich artgerecht bewegen können. Nur so ist eine Sozialisierung und Stabilisierung des Sozialverhaltens von Hunden möglich, was auch im Sinne einer Gefah­renabwehr unerlässlich ist. Durch ein generelles Anleingebot für Hunde werden zukünftig Zwi­schenfälle mit Hunden zunehmen, weil permanentes Anleinen zu negativen Verhaltensänderun­gen führt. Selbst wenn offizielle Hundeauslaufflächen in ausreichender Zahl und Größe vorhan­den wären, könnten sie dies nicht kompensieren.

Mit der 40/20er Regelung müssen hunderttausende von Hundehaltern und Hunden mit einem enormen Verwaltungsaufwand bürokratisch verwaltet werden, ohne damit die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen.

Die knappen Kapazitäten und Ressourcen der Behörden werden für einen Bereich gebunden, der nur das Anlegen und die Pflege von Akten nach sich zieht und die betroffenen Hundehalter un­angemessen und sinnlos belastet. Das Verwaltungschaos ist bereits perfekt und soll fortgesetzt werden. Es müssen eigentlich sachfremde Gründe vorliegen, wenn dieser Irrweg weiter be­schritten werden soll.

Es ist auch eine Irreführung, wenn das neue Landeshundegesetz mit der Harmonisierung der Regelungen der einzelnen Bundesländer auf der Grundlage der IMK-Beschlüsse begründet wird und gleichzeitig der Sonderweg Nordrhein-Westfalen mit der 40/20er-Regelung beibehalten wird.  


9. Kennzeichnung durch Mikrochip

Wir haben bereits in der Vergangenheit gefordert, eine generelle Kennzeichnungspflicht für alle Hunde verbindlich vorzuschreiben. Alle im VDH gezüchteten Hunde werden bereits seit Jahr­zehnten eindeutig gekennzeichnet (bis vor kurzem ausschließlich durch Tätowierung – neuerdings bei einigen Rassen durch Mikrochips). Es ist nicht nachvollziehbar und daher auch nicht hinnehmbar, eindeutig durch Tätowierung – auch zukünftig - gekennzeichnete Hunde zusätzlich durch Mikrochip kennzeich­nen zu müssen. Diese völlig überflüssige Auflage ist nur in Zusammenhang mit kommerziellen Interessen erklärbar. Die Sinnlosigkeit dieser zusätzlichen Kennzeichnung durch Mikrochip wird auch daran deutlich, dass hiermit nicht gleichzeitig die verbindliche Registrierung der Chip-Nummer vorgeschrieben wird. Was nutzt eine Kennzeichnung mit Mikrochip, wenn es kein Zentralregister gibt, in dem die Halterdaten abgerufen werden können? Was hat dies mit sinn­vollen Regelungen zur Gefahrenabwehr zu tun? Eine eindeutige Kennzeichnung durch Tätowie­rung muss ausreichen.  


10.  Einschränkung von Grundrechten

Abweichend vom Text der LHV NRW und über deren Inhalt hinaus sieht der vorliegende Geset­zestext Einschränkungen von Grundrechten vor. Denn nach § 4 Abs. 3 ist der zuständigen Be­hörde ein Zutrittsrecht „zu dem befriedeten Besitztum, in dem der gefährliche Hund gehalten wird oder gehalten werden soll, zu ermöglichen und die erforderlichen Feststellungen zu dulden“.

Sobald ein Hund in der Wohnung des Hundehalters gehalten wird, wird damit in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG eingegriffen. Nach Art. 13 GG ist die Wohnung unverletzlich. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. Diese Voraussetzungen, die das Grundgesetz ausdrücklich an die Einschränkungen des Grundrechts knüpft, finden sich in der Regelung des Landeshundege­setzes in keiner Weise wieder. Dies ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.


11.  Lösungsvorschläge

-     Umfassende Regelungen zu gefährlichen Hunden im Einzelfall (keine Rasselisten)

-     Haftpflichtversicherung für alle Hunde

-     Kennzeichnungspflicht (Tätowierung oder Mikrochip) für alle Hunde

Über das Landeshundegesetz hinaus sollte in Erwägung gezogen werden, Anreize für sachkun­dige Hundehalter mit ausgebildeten und sozialverträglichen Hunden (z. B. Nachlässe bei der Hundesteuer) zu schaffen.  

Wir appellieren an alle Fraktionen des Landtages und alle Landtagsabgeordneten, eine ergebnis­offene Anhörung durchzuführen und den Sachverstand und die Kompetenz der Fachverbände in das weitere Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen.